Lange Luss: Naturverträgliche Landbewirtschaftung auf Überschwemmungsflächen

Die Lange Luss, südlich von Marchegg Bahnhof gelegen, ist der Rest von einst weit verbreiteten, artenreichen Überschwemmungswiesen. Der Fluss kann sich hier bei Hochwasser auf einer Fläche von über 400 ha ausbreiten. Wie an sonst keiner anderen Stelle des Donau March-Raumes gewinnt man so einen Eindruck vom Aussehen überschwemmten Auvorlandes.

Die Abfolge unterschiedlichster Feuchtstandorte birgt naturgemäß eine große Vielfalt an Pflanzen und Tieren, davon viele in ihrem Bestand bedrohte Arten. Fallen die Überschwemmungen mit den Zugzeiten der Vögel zusammen, so wird dieses Gebiet durch viele Wasser- und Sumpfvögel besonders attraktiv. Die Abfolge unterschiedlichster Feuchtstandorte birgt eine große Vielfalt an Pflanzen und Tieren, so erweist sich das Gebiet als wahres Eldorado für Vögel und Amphibien. Mit sieben vorkommenden Arten ist die Lange Luss auch eines der wichtigsten mitteleuropäischen Refugien der für temporär überschwemmte Wiesen typischen Urzeitkrebse. Als Trittsteinbiotop für wandernde Tiere und vor allem auch als Brutgebiet für viele Vogelarten war und ist die Lange Luss nach wie vor von großer Bedeutung.

Die Folgen struktureller Umwandlungen durch intensive Ackerbaunutzung bedrohen anhaltend diese einzigartige Landschaft. Aufgrund weitreichender Entwässerungsmaßnahmen wurde bereits Anfang der 1970er Jahre ein Großteil der Wiesen in Äcker umgewandelt. Seit Jahren gibt es Bemühungen zum Schutz der Langen Luss. So wurden einige Ackerflächen bereits brachgelegt und in Wiesen rückgeführt. Mittlerweile wurde die Lange Luss auch als NATURA 2000-Schutzgebiet und Ramsar-Schutzgebiet ausgewiesen.

 Projektendbericht (2,9 MB)  

 

Die Bedeutung der Langen Luss als Lebensraum für Blütenpflanzen

Innerhalb des österreichischen Marchtales nimmt die Lange Luss zwischen der Eisenbahnbrücke Marchegg und der alten Schloßhofer Brücke eine Sonderstellung ein.

  • Die Lange Luss ist als einziger Abschnitt der Marchauen nicht abgedämmt und wird somit bei Hochwässern auch heute noch großflächig überschwemmt. Die Lange Luss wird wesentlich häufiger von Überschwemmungen durch Donauhochwässer erfasst als weiter nördlich liegende Augebiete an der March. Außer den Hochwässern der March (meist im zeitigen Frühjahr) treten auch noch die Hochwässer der Donau (meist im Sommer) auf. Diese bewirken einen stärkeren Basengehalt der Böden im südlichsten Marchabschnitt.
  • Die räumliche Nähe der Langen Luß zu den Donauauen stellt bei aller Verschiedenheit der beiden Auensysteme (March: Tieflandfluss — Donau: Mittelgebirgscharakter) für viele Arten einen möglichen „stepstone“ auf Wanderrouten in beide Richtungen dar.
  • Der Kontrast zwischen den Auen an March und Donau und den teils gut erhaltenen Trockenstandorten der Schloßhofer Terrasse, des Thebener Kogels und des Sandberges bei Devínska Nová Ves äußert sich in vielen Organismengruppen durch besonders hohe Artenzahlen auf engstem Gebiet. Die vielen verschiedenen Pflanzengemeinschaften werden von Tieren genutzt, die sowohl Feucht- wie auch Trockenstandorte als Lebensraum benötigen.


Die große Zahl gefährdeter Arten belegt die herausragende Bedeutung der Marchauen als Lebensraum vieler gefährdeter Arten im Allgemeinen und die der Langen Luss im Besonderen.

Unter den zahlreich vorkommenden Rote-Liste-Arten sind die folgenden besonders hervorzuheben, weil sie österreichweit heute nur mehr aus der Langen Luss bekannt sind:

  • Hierochloë repens (Kriechendes Mariengras) (ein erst vor kurzem entdecktes Vorkommen in den Donauauen muss schon wieder als verschollen geführt werden)
  • Oenanthe silaifolia (Silgenblatt-Rebendolde)
  • Oenanthe fistulosa (Röhrige Rebendolde)


Außerhalb der Langen Luss haben die folgenden Arten nur mehr sehr wenige und äußerst kleinräumige Vorkommen in Österreich:

  • Iris spuria (Bastard-Schwertlilie)
  • Lathyrus pannonicus subsp. pannonicus (Pannonische Platterbse)
  • Plantago altissima (Hoher Wegerich)
  • Ranunculus baudotii (Salz-Wasserhahnenfuß) : Außer an einer Stelle im WWF-Gebiet Marchegg gibt es die Art sonst aktuell nur noch sehr kleinräumig im Seewinkel.


In Österreich nur in den Marchauen vorkommend:

  • Filipendula ulmaria subsp. picbaueri (= F. stepposa) (Steppen-Mädesüß)

Außer den angeführten Blütenpflanzen kommen im Gebiet auch eine Reihe seltener und gefährdeter Pflanzengesellschaften vor, wovon das Serratulo-Plantaginetum altissimae (Wegerich-Überschwemmungswiesen) bisher für Österreich überhaupt nur aus der Langen Luss nachgewiesen wurde.

Resümee
Die vorliegenden Daten unterstreichen, dass die Lange Luss aus naturschutzfachlicher Sicht zu den bedeutendsten Gebieten des Marchtales und darüber hinaus zu den bedeutendsten Augebieten Österreichs zählt. Die durch den Donaueinfluss bewirkte Eigenständigkeit des Marchtales drückt sich auch sehr deutlich in der Eigenständigkeit der Flora und Vegetation aus. Zusammen mit dem WWF-Naturschutzgebiet Marchegg, dem slowakischen Teil der südlichen Marchauen und den nahegelegenen Donauauen ist die Lange Luss ein unverzichtbarer Teil eines Auensystems internationaler Bedeutung. Mit der Zerstörung der Langen Luss als Bindeglied zwischen den March- und Donauauen würde dieses Auensystem ein verbindendes Herzstück verlieren. Die Lange Luss darf daher unter keinen Umständen Verschlechterungen erleiden, sondern sollte im Gegenteil besonderen Schutz und besondere Pflege erfahren.

Text: Dr. Luise Schratt-Ehrendorfer
 Liste der Bedrohten Pflanzen (14 KB) 

 

Die Bedeutung der Lange Luss für die Vogelwelt

Die Lange Luss zwischen der Eisenbahnbrücke Marchegg und der alten Schlosshofer Brücke ist der einzige zur Gänze nicht durch Hochwasserschutzbauten eingeengte Abschnitt der March in Österreich. Der Fluss kann sich hier bei Hochwasser auf einer Fläche von gut 400 ha (davon entfallen 90 ha auf die tief gelegene, großteils bewaldete Lußparz) ausbreiten und Feuchtgebiete unterschiedlichster Ausprägung mit Wasser versorgen.

Insgesamt sind aus dem Gebiet über 190 Vogelarten bekannt geworden, mind. 104 davon sind bzw. waren Brutvögel der Langen Luss und Lußparz. Die Feuchtwiesen, die periodisch wasserführenden Sutten im Wiesen- und Ackerland und die ausgedehnten Altschilf-Röhrichte beherbergen den Großteil der schutzbedürftigen Arten.

Die Lange Luss hat für Vögel sowohl als Brut- als auch als Rastgebiet internationale Bedeutung:

Brutgebiet für gefährdete Vögel der Feuchtgebiete
Die Lange Luss war bis in die 1960er Jahre eines der bedeutendsten Wiesenvogel-Brutgebiete Österreichs mit Vorkommen der hier inzwischen ausgestorbenen Arten Wiesenweihe, Bekassine, Uferschnepfe, Großer Brachvogel, Rotschenkel und Sumpfohreule. Die Umwandlung des geschlossenen Wiesengebietes in vorwiegend ackerbaulich genutzte Fläche hat diese Situation drastisch verändert. Die weiterhin intakte Hochwasserdynamik und die verstärkte Anlage von Ackerbrachen und Wiesenrückführungen gewährleisten aber auch heute noch bedeutende Vorkommen typischer, teils hochgradig gefährdeter Brutvögel.

Zu den bedeutendsten zählen: Rohrweihe (hohe Dichte, bis zu 5 Brutpaare), Wachtelkönig (weltweit bedrohte Vogelart, bis zu 10 Reviere), Kiebitz (hohe Dichte, bis zu 71 Brutpaare), Schafstelze (größte Einzelpopulation Österreichs, bis zu 68 Reviere), Schilfrohrsänger (hohe Dichte, über 150 Reviere) und Grauammer (hohe Dichte, bis zu 17 Reviere).

Die Lange Luss hat überdies ein sehr großes Potential zur Wiederbesiedlung von Wiesenvögeln, wenn es gelingt, wieder großflächige Mähwiesen- und Weideflächen zu schaffen.

Rastgebiet für durchziehende Wat- und Wasservögel
Die Lange Luss ist ein überregional wertvoller „Trittstein“ auf der bedeutenden Zugstraße für Wat- und Wasservögel, die die Feuchtgebiete Südmährens mit denen des Neusiedler See-Gebietes verbindet. Vor allem während und nach Hochwasser-Perioden im Frühling und Sommer kommt es zu massiven Konzentrationen von Wat- und Wasservögeln.

Unter den über 20 Watvogelarten des Gebietes sind vor allem die Bestände von Kiebitz (bis zu 1.800), Bruchwasserläufer (bis zu 220), Kampfläufer (bis zu 100) und Goldregenpfeifer (bis zu 94) bedeutsam. Wichtig ist die Lange Luss auch für rastende Schreitvögel, v. a. Weißstorch, Schwarzstorch, Silberreiher und Löffler sowie für durchziehende Gänse.

Resümee
Die Bewahrung und vor allem weitergehende Aufwertung der Langen Luss durch Wiesenpflege, Wiesenrückführungen und Vernässungen ist auch aus Sicht des Vogelschutzes in Österreich ein bedeutsames Anliegen und sollte mit vereinten Kräften vorangetrieben werden!
 
Text: DI Thomas Zuna-Kratky
 

Die österreichweite Bedeutung der „Langen Luss“ als Refugium für Groß-Branchiopoden

Groß- Branchiopoden sind eine weltweit gefährdete Tiergruppe (Belk 1998), die aufgrund ihrer extremen Ökologie, des hohen erdgeschichtlichen Alters und zahlreicher ursprünglicher Merkmale („Lebende Fossilien“) von hohem wissenschaftlichen Interesse sind (Hödl & Eder 1996) sind.

Im vorliegenden österreichweiten Standort-Ranking (Datenmaterial 1994–2002) sind alle heimischen „Urzeitkrebs“ - Fundorte mit mehr als 2 Arten angeführt (vgl. Gottwald & Eder 1999).

Dabei ist hervorzuheben:

  • Von den 11 österreichweit bedeutendsten Fundorten liegen 5 auf der Langen Luss, weitere 5 im Einzugsbereich der unteren March (Eder et al. 1997; Hödl & Eder 1999).
  • 70% der in den gesamten Marchauen dokumentierten Groß – Branchiopoden - Arten wurden an der langen Luss nachgewiesen (Österreich: 16 Arten, March-Auen: 10 Arten, Lange Luss: 7 Arten; vgl. Eder et al. 2002).
  • 2 der an der Langen Luss vorkommenden Arten gelten als „vom Aussterben bedroht“, 3 als „stark gefährdet“ und 2 als „gefährdet“ (Eder et al. 2002; Hödl & Eder 2000).


Zusammenfassend kann die Lange Luss als eines der bedeutendsten Refugien für Groß - Branchiopoden Mitteleuropas angesehen werden.

Text: Dr. Erich Eder

 Urkrebs-Vorkommen in NÖ mit mehr als 2 Arten (15 KB) 

 

.