Östliches Waldviertel

Die Grenzregion des östlichen Waldviertels im 10 km-Gürtel des Grünen Bandes wird durch Hochländer einer flachwelligen Gneis-Rumpflandschaft und die in diese eingelagerte und eingesenkte Thaya mit der aus Tschechien kommenden Mährischen Thaya (Moravská Dyje) geprägt. Weitere kleinere aus dem Norden kommende Zuflüsse zur Thaya sind etwa der Taxenbach, der Lexnitzbach, der Feinitzbach und der Gaberbach. (Der Frattingbach fließt über Umwege in Tschechien in die Thaya). Aus südlicheren Teilen des Waldviertels fließen Seebsbach, Thumeritzbach und Fugnitz mit deren zahlreichen, kleineren Nebenbächen zur Thaya. Das Thayatal weist bei Niederedlitz eine Seehöhe von 465 m NN auf und verlässt bei Unterthürnau das Gebiet auf 366 m NN Richtung Tschechien (ehe sie im Nationalpark Thayatal als Grenzfluss zwischen Niederösterreich und Tschechien wieder Österreich erreicht). Vielfach hat sich die Thaya hier auch schluchtartig eingegraben und interessante Felsstandorte hinterlassen (z. B. bei Liebnitz-Oberpfaffendorf, Raabs-Kollmitzdörfl-Eibenstein). Die angrenzenden Hochflächen rund um das Thayatal weisen überwiegend Seehöhen zwischen 430 und 530 m NN auf. Kuppen und kleine Berge erreichen auch etwas größere Höhen wie z. B. der Kollmitzberg mit 600 m NN oder der Häuslberg bei Speisendorf mit 610 m NN. Nordwestlich von Reinolz liegt nahe zur tschechischen Grenze die Erhebung Hoher Stein mit 679 m Seehöhe NN.

Da im östlichen Waldviertel – gegenüber dem westlichen „Granit-Waldviertel“ – überwiegend leichter verwitterbare Ausgangsgesteine (wie z.B. Glimmerschiefer) vorkommen, ist diese Region – auch auf Grund der Kombination mit lehmig-tonigen Sedimenten und Lößanwehungen – fruchtbarer als andere Teile des Waldviertels und dementsprechend prägt der Ackerbau die großen, offenen Rodungsinseln. Der Getreidebau (Weizen, Roggen, Triticale, Gerste, seltener Hafer) dominiert nach wie vor. Außerdem werden Raps (aktuell wieder stark zunehmend), Kartoffeln, Mais und diverse Sonderkulturen (Karde, Heilkräuter, Mohn etc.) angebaut. Durch die historisch bedingte Flurteilung sind in noch nicht kommassierten Katastralgemeinden teilweise noch kleinschlägige Stufenrain- und vor allem Schmalrainackerfluren mit zersplitterten Besitzverhältnissen anzutreffen. Erhaltene Böschungs- und Stufenraine in Hanglagen weisen häufig Einzelsträucher und/oder naturnahe Hecken auf, während die flächenmäßig stark dominierenden Schmalrainfluren in sehr sanfthügeligen Lagen in der Regel keinen Strauchbewuchs aufweisen. In bereits kommassierten Katastralgemeinden beherrschen heute größere geometrisch perfekte Ackerformen mit einzelnen eingestreuten Pflanzstreifen das Bild.

Der zum westlichen Waldviertel vergleichsweise schon immer geringe Wiesenanteil, der sich überwiegend in flachen mäßig bodenfeuchten Mulden, wie Bachsenken sowie an der Thaya selbst befindet, wurde aktuell noch weiter zurückgedrängt. Innerhalb der letzten zwei Jahre wurde wieder vermehrt Wiesenumbruch festgestellt. Betriebe mit Viehhaltung werden zur immer größeren Seltenheit. Die ehemals überwiegend feuchten Wiesen wurden aber schon vor längerem drainagiert und intensiviert, sodass ursprüngliche Feuchtwiesen so gut wie nicht mehr vorhanden sind. Hochwertige Feuchtwiesenreste in magerer bis fetter Ausprägung gibt es nur noch sehr kleinflächig. Intensivierte Fuchsschwanzwiesen und Glatthafer- bzw. Goldhaferwiesen prägen die noch erhaltenen Restwiesengebiete. Im Sommer ist in vielen Mähwiesen und an Gräben der blühende Wiesen-Storchschnabel eine auffällige Pflanze. Innerhalb der zumeist geschlossen angelegten Dörfer sind zumeist noch Dorfwiesen und kleine Streuobstwiesen erhalten.

Wälder, Waldzungen und Feldgehölze schließen die offenen Feldfluren der Rodungsinseln ein, sodass insgesamt von einer halboffenen Landschaft gesprochen werden kann. Insbesondere sind das Thayatal einschließlich der Mährischen Thaya und Abschnitte einiger Bachtäler sowie höhere Kuppen und Berge von Wald bestanden. Abgesehen von naturnahen Ufergehölzen dominieren Rotföhrenbestände und Fichtenforste die eingebetteten Waldkomplexe und Feldgehölze. Laubwaldbestände mit Buchen oder Eichen finden sich nur sehr lokal. Aus tierökologischer Sicht besonders wertvoll sind kleine durchsonnte Feldgehölze mit Rotföhren, Pionierhölzern (Birke, Espe, Vogelkirsche) und Stieleichen. Oft weisen diese auch einen Gebüschmantel aus Dornsträuchern auf. Aber auch allgemein gesehen sind Feldgehölze innerhalb der Agrarlandschaft außerordentlich wichtige Zentren der Biodiversität für Pflanzen und zahlreiche Tiergruppen (z. B. für Tag- und Nachtfalter, Rückzugräume für Amphibien und Reptilien, Brutplätze für Greifvögel und viele andere Vogelarten). Gerade im Waldviertel enthalten Feldgehölze oft auch natürliche Felsstandorte und häufig hochwertige Reste von Trocken- und Magerlebensräumen wie Zwergstrauchheiden.

Die gesamte Grenzregion des östlichen Waldviertels erweist sich bisher als großflächig sehr störungsarm. Es sind nur wenige touristische Anziehungspunkte wie Karlstein, Raabs, Riegersburg und Geras vorhanden. Auch infrastrukturell ist die Zone aus Naturschutzsicht eine Besonderheit. Es gibt im Gebiet z.B. keine Schnellstraße und keine einzige Hochspannungsleitung. Bisher konnten auch Windkraftprojekte abgewehrt werden. Zuletzt wurden allerdings verstärkt Grenzöffnungen und andere Versuche zur wirtschaftlichen Belebung des Grenzgebietes gesetzt.

In der Raumgliederung des Naturschutzkonzeptes von Niederösterreich hat das hier beschriebene Gebiet des östlichen Waldviertels Anteil am Unteren Thayatal, am Oberen Thayatal, am Oberen Thayahochland, am Unteren Thayahochland und am Weitersfelder Hochland.

Raubwürger

Der etwa amselgroße Raubwürger besiedelt übersichtliche, halboffene, zumindest teilweise extensiv bewirtschaftete Kulturlandschaften. Seine Brutreviere weisen in Abhängigkeit vom Angebot an Mäusen und Insekten Größen zwischen (25-) 50 und 100 ha auf. Günstig ausgestattete Reviere im Waldviertel sind durch geringe Ackerfeldgrößen mit hohen Randliniendichten (Böschungsraine, Schmalraine), Hecken, Einzelbüschen, Einzelbäumen, Feld- und Bachgehölzen, offenen (nicht asphaltierten) Feldwegen sowie einem deutlichen Wiesenanteil ausgezeichnet. Zusätzlich wird das Strukturangebot für den gerne von Warten und Aussichtspunkten jagenden Raubwürger durch Leitungen (kleine Strom- und Postleitungen, Bahnleitungen), Feldkreuze oder Marterl, Hochstände, Strohtristen, Grenzpflöcke etc. erweitert. Der Neststandort liegt zumeist in einem Feldgehölz in einer dichten Baumkrone. Nach der Brutsaison bzw. im Winterhalbjahr verteilen sich die Vögel in einem größeren Gebiet von mehreren Quadratkilometern oder ziehen in südlichere Gebiete ab.

Aufgrund seiner vielfältigen Ansprüche an den Lebensraum ist das Vorhandensein eines Raubwürger-Brutpaares ein guter Indikator für einen artenreichen Landschaftsausschnitt in der Agrarlandschaft. Mehr als 20 Vogelarten der Roten Liste treten als Brutvögel oder Nahrungsgäste an Waldviertler Raubwürger-Brutplätzen regelmäßig auf. Erwähnt seien z. B. Rebhuhn, Wachtel, Grauammer, Heidelerche, Wiesenweihe, Hohltaube, Wiesenpieper, Braunkehlchen oder Feldschwirl. Der Neuntöter oder Rotrückenwürger, der kleinere Verwandte des Raubwürgers, erreicht in gebüsch- und heckenreichen Bereichen hohe Brutdichten. In Feuchtwiesenresten und Hochstaudensäumen können seltene Tagfalter wie z.B. der Storchschnabel-Bläuling leben. Bedrohte Amphibien- und Reptilienarten wie der Laubfrosch oder die Zauneidechse kommen vor. Botanisch wertvolle Feuchtwiesen, kleine Bachauen, Magerwiesen sowie kleine Trockenrasen bilden gelegentlich wichtige Bestandteile von Raubwürger-Brutplätzen.

Der akut vom Aussterben bedrohte Raubwürger brütet in Österreich nur noch in Niederösterreich. Die meisten Brutplätze liegen im nordöstlichen Waldviertel innerhalb des Grünen Bandes, wo in den letzten Jahren bis zu 13 Brutpaare gebrütet haben. Jeweils ein bis mehrere Raubwürger-Brutplätze liegen im Bez. Waidhofen an der Thaya z. B. in den Gemeinden Dobersberg, Karlstein an der Thaya, Kautzen, Ludweis-Aigen und Waldkirchen an der Thaya. Besonders viele Brutplätze weist die Großgemeinde Raabs an der Thaya auf. Brutplätze im Bez. Horn finden sich z. B. in den Gemeinden Drosendorf-Zissersdorf, Geras, Japons, Langau und Weitersfeld.

Seit Langem bestehen in der Region Bestrebungen und Aktivitäten zum Schutz der Raubwürger-Kulturlandschaftslebensräume, die vorwiegend durch das Amt der NÖ Landesregierung, RU5, Abt. Naturschutz und den NÖ Landschaftsfonds sowie das Lebensministerium gefördert wurden bzw. werden.

Wiesenweihe

Die in der EU streng geschützte Wiesenweihe ist ein Greifvogel der offenen Landschaft, der den Winter in Afrika südlich der Sahara verbringt und üblicherweise erst Ende April bis Ende Mai bei uns ankommt. Die Vögel verpaaren sich nach der Ankunft rasch und legen ihre schlichten Nester meist in Getreidefeldern, seltener in Wiesen oder Kleefeldern, an. Vier oder fünf Eier werden auf den Boden abgelegt und knapp 30 Tage bebrütet. Die Nestlinge werden mit Insekten, Feldmäusen und Vögeln (v. a. Feldlerchen) gefüttert und sind erst mit 35 bis 40 Tagen voll flugfähig. Da die meisten Bruten erst im August ausfliegen, geht ohne gezielten Nestschutz der Großteil der Bruten bei der Getreideernte verloren. In Niederösterreich brüten jährlich nur wenige Wiesenweihen (max. 15 bis 20 Paare). Die wichtigsten aktuellen Brutgebiete liegen im Grünen Band des nordöstlichen Waldviertels (v. a. Gem. Waldkirchen an der Thaya, Raabs an der Thaya, Karlstein an der Thaya, Drosendorf-Zissersdorf), wo mit Hilfe von Förderungen durch das Amt der NÖ Landesregierung, RU5, Abt. Naturschutz und den NÖ Landschaftsfonds sowie EU-Mitteln aus der Ländlichen Entwicklung seit mehreren Jahren gezielt Brutplatzsicherung betrieben wird. Im bisher erfolgreichsten Jahr 2005 brachten 10 Brutpaare ihre Jungen zum Ausfliegen. Wiesenweihen haben besonders große Raumansprüche, die bei mindestens 7 bis 8 km² liegen. Sie sind somit ein Top-Indikator für offene nahrungsreiche Teile der Agrarlandschaft. Insbesondere werden zur Jagd (gemähte) Wiesen, Klee- und Luzernefelder sowie Raine, Feldgrenzen und Feldwege bevorzugt, wie sie in idealer Ausprägung besonders in nicht kommassierten Gebieten vorhanden sind. Weitere Brutvogelarten des ackerdominierten Offenlandes sind im nordöstlichen Waldviertel unter anderem Rohrweihe, Rebhuhn, Wachtel, Kiebitz, Wiesenpieper, Braunkehlchen, Grauammer sowie zumindest sporadisch auch der Wachtelkönig. Als regelmäßig auftretende Durchzügler, Nahrungsgäste und Überwinterer sind z. B. Weißstorch, Graureiher, Schwarzmilan, Kornweihe, Rauhfußbussard, Hohltaube, Waldohreule und Kolkrabe zu nennen. Mehrfach wurden auch sehr seltene Greifvogelarten wie Sakerfalke und Wanderfalke beobachtet.

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